top of page

Alina: «Es geht um mehr als darum, den Stoff zu vermitteln»


«Eigentlich wollte ich schon als Kind Lehrerin werden. Fasziniert beobachtete ich jeweils die Lehrpersonen, wenn sie Tests korrigierten. Am liebsten hätte ich gleich selbst einen Stift in die Hand genommen und beim Korrigieren mitgeholfen. Nach der obligatorischen Schulzeit wollte ich aber erstmal nicht weiter zur Schule gehen. Es zog mich in die Arbeitswelt und ich entschied mich für die KV-Ausbildung in einem Hotel. Nach dem Lehrabschluss kam der Wunsch wieder auf, zu unterrichten. Ich arbeitete aber zuerst noch ein Jahr 100 Prozent in der Immobilienbranche, um Berufserfahrung zu sammeln und meldete mich danach zuerst für die Berufsmatur und anschliessend für den Vorkurs an der PH Bern an.


Meine Erinnerungen an die Schulzeit sind durchwegs positiv. Ich habe aber einige Freunde und Bekannte, die nicht gerne an diese Zeit zurückdenken und schlechte Erfahrungen gemacht haben. Das gab mir zu denken und so wuchs in mir der Wunsch, möglichst vielen Kindern eine ebenso schöne Schulzeit zu bescheren, wie ich sie hatte. Ich hatte wunderbare Lehrpersonen und ich möchte für andere Kinder auch so jemand sein. Denn die Schulzeit ist eine enorm wichtige Zeit, von der man ein Leben lang zehren kann – sofern eben die positiven Erlebnisse überwiegen.


Die KV-Ausbildung und das eine Jahr auf dem Beruf sind für mich wertvolle Erfahrungen, die mir auch jetzt im Studium und beim Unterrichten von Nutzen sind, zum Beispiel in Gesprächssituationen mit Eltern. Auch im Hotel sind nicht immer alle nur zufrieden und ich musste lernen, schwierige Gespräche auszuhalten und auf Augenhöhe zu führen. Trotzdem sind Elterngespräche das, wovor ich am meisten Respekt habe.


Wenn ich mit dem Studium fertig bin, werde ich auf der Mittelstufe – also in der 3. bis 6. Klasse – voraussichtlich die Fächer Mathematik, NMG, Deutsch, Französisch, Musik, Englisch und Sport unterrichten. Im Moment fühle ich mich in der 5.-6. Klasse am wohlsten. Die Kinder sind da in einem extrem spannenden Alter. Jedes Kind steht entwicklungsmässig an einem anderen Punkt, es gibt solche, die noch sehr kindlich sind und andere Gleichaltrige, die schon am Anfang der Pubertät stehen. Schulisch ist es ein entscheidendes Alter. Ich denke, eine Lehrperson kann gerade in diesem Alter besonders viel bewirken. Mit zwei Lehrpersonen aus meiner eigenen Schulzeit habe ich heute noch Kontakt. Jetzt, während der Ausbildung, darf ich manchmal mit auf Schulausflüge oder sie fragen mich an für Stellvertretungen. Sie sind wichtige Bezugspersonen für mich und wenn ich beim Unterrichten ein Problem habe, weiss ich, dass ich sie um Rat fragen kann. Es ist auch ein besonderes Gefühl, in der Schule, wo ich selbst zur Schule ging, zu unterrichten.


Meine erste Stellvertretung kam ziemlich abrupt. Gleich am ersten Tag meines ersten Praktikums hatte die zuständige Lehrperson einen positiven Coronatest. Statt erstmal zuzuschauen und zu beobachten, mussten meine Kollegin und ich – wir waren zu zweit – sofort übernehmen. Wir standen beide noch nie vor einer Klasse. Die Heilpädagogin der Schule kam vorbei und unterstütze uns und auch die Kinder machten super mit. Überhaupt habe ich bisher bei Stellvertretungen nur gute Erfahrungen gemacht. Ich fühlte mich stets gut begleitet und hatte auch mit den Kindern noch nie Probleme. Ich hatte von der 1. bis zur 6. Klasse schon in jeder Stufe Stellvertretungen und habe die Kinder immer als sehr freundlich und hilfsbereit erlebt. Am Anfang bin ich jeweils etwas nervös und habe Angst, dass ich Fehler mache oder die Kinder mich vielleicht nicht mögen, aber die Zweifel verfliegen jeweils in den ersten Minuten, wenn ich vor der Klasse stehe. Wenn ich einen Fehler mache, gebe ich ihn ehrlich zu, ich will den Kindern ja auch vorleben, dass Fehler menschlich sind.


Durch die Digitalisierung ist der Unterricht heute ein ganz anderer als noch zu meiner Zeit. Die Kids heute haben mehr Ahnung von manchen Apps als ich – und ich bin ein 2000er-Jahrgang. Man kann mit Apps Math üben oder Deutsch, die Schülerinnen und Schüler können in einer Gruppe ein Video aufnehmen oder ein Lied einstudieren, ohne dass man ihnen gross erklären muss, wie es funktioniert. Das kann auch die leistungsschwächeren Schülerinnen und Schüler motivieren, sich mit einem vielleicht ungeliebteren Fach zu beschäftigen.


Was eine gute Lehrperson ausmacht? Ich glaube, eine Lehrperson muss gleichzeitig auch eine Bezugsperson für die Kinder sein. Es geht um mehr als darum, den Stoff zu vermitteln. Eine gute Lehrperson nimmt die Kinder als Individuen war, interessiert sich für sie und dafür, ob es ihnen gut geht oder nicht. Sie muss für ihren Beruf brennen. Wenn ich mich auf den Unterricht freue und Spass daran habe, springt der Funke auf die Kinder über. Und: Einer guten Lehrperson geht es selbst auch gut. Es ist wichtig, neben dem Beruf einen Ausgleich zu haben. Für mich ist dies einerseits meine Familie, andererseits das Backen. Ich mache sehr gerne Torten, auch auf Bestellung. Ich betreibe einen Instagram-Account und tausche mich dort mit anderen Backfreudigen aus. Das macht mir sehr viel Freude und es tut gut, Anerkennung ausserhalb des Berufs zu bekommen. Über solche Dinge – was eine gute Lehrperson ausmacht und wie man mit Freude dabeibleibt –diskutieren wir auch in unserem Studi-Podcast von der PH Bern. Alle zwei Monate erzählen ein Mitstudent und ich von unseren Erfahrungen im Studium und später dann auch über unseren Berufseinstieg.


Der Lehrerberuf ist anspruchsvoll und intensiv. Viele Lehrpersonen brennen irgendwann aus, verlieren die Motivation oder rutschen gar in ein Burnout, wenn vielleicht noch individuelle Gründe oder private Probleme dazukommen. Es ist sicher wichtig, dass sich die Lehrpersonen gegenseitig unterstützen und sich bei Problemen untereinander austauschen können. Als Praktikantin aber auch als Stellvertretung lernte ich schon verschiedene Schulen und Kollegien kennen. Die Zusammenarbeit ist überall anders. Für mich ist eine gute Zusammenarbeit im Team enorm wichtig und ich denke, dass die Lehrpersonen, aber auch die Kinder, von einem guten Teamgedanken unter den Lehrenden profitieren können. Ich folge einigen Lehrpersonen, die schon mitten im Berufsleben stehen, auf Instagram und da ist die Zusammenarbeit und Unterstützung im Kollegium auch immer wieder ein Thema. Bei meinen Praktika und Stellvertretungen habe ich bis jetzt aber nur gute Erfahrungen gemacht und viel Hilfe bekommen. Ich kann mir vorstellen, dass es auch aufreibend und frustrierend sein kann, wenn man eine gute Idee hat für die eigene Klasse, die Umsetzung aber an den Kosten oder an mangelnder Unterstützung scheitert. Da resigniert man irgendwann. Aber wirklich mitreden kann ich bei diesem Thema nicht, da fehlt mir die Berufserfahrung.


Ich habe mir aber schon oft überlegt, was ich tun kann, um möglichst lange so motiviert zu bleiben wie jetzt. Auch während der Ausbildung ist das ein Thema, zum Beispiel, wie man als Lehrperson resilient bleiben und die eigenen Ressourcen schonen kann. Aber ich denke, dass das auch sehr personenabhängig ist. Manche machen sich darüber mehr Gedanken, andere weniger. Ich bin jemand, der sich mit Leidenschaft in die Arbeit stürzt und oft auch zu viel macht. Da werde ich sicher aufpassen müssen, dass ich Zuhause auch mal abschalte. Denn es ist schon so: Als Lehrerin bist du nie fertig, du kannst immer noch mehr vorbereiten.

Was mir generell hilft: Ich weiss, dass ich mit der KV-Ausbildung einen Plan B in der Tasche habe. Wenn ich einmal eine Pause vom Unterrichten brauche, kann ich in meinen alten Beruf zurück. Ich habe mir auch fest vorgenommen, dass ich, falls ich einmal feststellen sollte, dass mir die Geduld für die jüngeren Kinder ausgeht, etwas unternehmen werde, bevor jemand darunter leidet. Aber natürlich hoffe ich, dass ich viele Jahre mit Freude auf der Mittelstufe bleiben werde.


Natürlich ist der Lehrermangel auch unter uns Studierenden und an der PH ein Thema. Auf dem Stellenportal sind zurzeit viele SOS-Stellvertretungen ausgeschrieben. Wir Studierenden bekommen regelmässig Infos, zum Beispiel, dass man sich melden kann, wenn man Stellvertretungen übernehmen oder neu auf Teilzeit wechseln will. Denn jene, die bereits Teilzeit studieren, haben in der Regel schon eine Anstellung. Ich habe mich bewusst für ein Vollzeitstudium entschieden und bin froh, dass das für mich überhaupt möglich ist. Ich werde im Sommer 2024 mit der Ausbildung fertig sein und dann in den Beruf einsteigen. Bis dahin übernehme ich sicher ab und zu Stellvertretungen oder allenfalls ein kleines Pensum, aber nicht schon eine ganze Klasse. Wenn ich jetzt schon eine eigene Klasse hätte, hätte ich grossen Respekt, einen ‹Schaden› anzurichten, weil ich etwas noch nicht weiss oder Fehler mache. Ich bin also froh, dass ich noch einige Praktika und Module haben werde, die mich auf den Schulalltag vorbereiten können.» (mk)


Studi-Podcast der PH Bern: Alle zwei Monate auf www.phbern.ch/studi-podcast und auf Spotify.


Comments


bottom of page