«Mein Vater hat oft Schwyzerörgeli gespielt, als ich klein war. Etwa im Alter von vier Jahren wollte ich dann selbst in die Tasten greifen. Damals gab es aber noch keine Schwyzerörgeli für kleine Kinder, weshalb ich nicht sofort mit dem Musikunterricht beginnen konnte. Der Wunsch aber blieb und so bekam ich im dann endlich ein eigenes Örgeli, als ich sieben Jahre alt war. Von da an ging ich einmal pro Woche in die Musikschule in Bümpliz. Ich mag den Klang dieses Instruments. Schon als Kind faszinierte mich, dass man einen Knopf drücken und damit einen Ton erzeugen kann. Auch vom Aussehen ist es ein wunderschönes Instrument: Das Holz, die filigranen Verzierungen ... jedes Schwyzerörgeli sieht anders aus. Es ist zudem sehr vielseitig. Man kann die Melodie spielen und gleichzeitig die Basslinie, so klingt das Schwyzerörgeli auch allein vollwertig, es braucht eigentlich keine Begleitinstrumente.
Ich bin gelernte Fachfrau Gesundheit. Im Herbst beginne ich aber mit dem Bachelor-Studium der Volksmusik an der Hochschule der Künste Luzern. Es ist ein ganz neuer Lehrgang, der 2022 zum ersten Mal dort durchgeführt wird. Mein Traum ist es, eines Tages zu unterrichten und das Gelernte an die nächste Generation weiterzugeben und möglichst viele Leute für die Volksmusik zu begeistern. Wenn ich ab und zu einen Auftritt habe, freut mich das. Aber zu konzertieren ist nicht mein Hauptansporn.
An Konzerten trage ich in der Regel nichts speziell Volkstümliches. Tracht trage ich manchmal, wenn sie zum Anlass passt, zum Beispiel, wenn ich meine Kollegin beim Jodeln begleite. Dann ziehe ich am liebsten jene meiner Urururgrossmutter an. Es fühlt sich gut an, ein Kleidungsstück zu tragen, dass eine Geschichte hat und schon so lange im Besitz meiner Familie ist.
Ich habe erst in der Schulzeit realisiert, dass Volksmusik zum Teil verpönt ist und belächelt wird. Die ersten Jahre habe ich in der Schule in Bümpliz, wo ich aufgewachsen bin, nicht gerne erzählt, dass ich Schwyzerörgeli spiele. Auch weil ich die einzige mit diesem Hobby war. Erst gegen Ende der Oberstufe habe ich das Örgeli auch ab und zu in die Schule mitgenommen. Die kursierenden Vorurteile, zum Beispiel, dass alle Volksmusikerinnen und Volksmusiker politisch rechts sind, stören mich schon.
Ich mag verschiedene Musikstile und höre auch Pop, aber meistens schon Volksmusik. Mir gefällt diese Musikrichtung, weil sie sehr vielseitig ist, was viele gar nicht wissen. Es gibt sehr viele verschiedene Volksmusiken. Sie ist oft fröhlich und macht gute Stimmung, kann aber auch sehr besinnlich sein. Gerade beim alten Volksliedgut gibt es wunderschöne Melodien. Auch die Zusammensetzung der Instrumente bei der Volksmusik gefällt mir gut. Oft wird Volksmusik im gleichen Atemzug wie Schlager genannt, doch es ist überhaupt nicht dasselbe. Schlager ist gar nicht meine Welt.
Ich spiele gerne Stücke von Markus Flückiger, zu ihm gehe ich in den Unterricht. Schon meine Eltern hörten seine Musik. Daneben liebe ich die traditionellen alten Sachen aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, zum Beispiel die Stücke von Rees Gwerder, Balz Schmidig oder Josef Stump.
Ich spiele ab Noten, manchmal auch nach Gehör. Viele Örgeler spielen nach Griffschrift, einem eigenen Örgeli-Notensystem. Sehr oft wird aber auch einfach improvisiert. An Stubeten werden jeweils die Tonart und die Anzahl Teile vorgegeben. Dann wissen alle, was sie zu tun haben, auch wenn sie das gespielte Stück nicht kennen.
Musik gibt mir sehr viel Kraft. Beim Musizieren vergesse ich alles um mich herum und kann den Alltag verarbeiten. Es ist schön, die Melodien so spielen zu können, wie ich sie im Kopf höre. Zu sehen, wie sich andere über meine Musik freuen, ist wunderschön. Als Fachfrau Gesundheit habe ich das Örgeli ab und zu mit zur Arbeit genommen und es ist immer wieder spannend zu sehen, wie Demenzbetroffene auf Musik reagieren. Viele beginnen zu lächeln oder mit dem Fuss den Rhythmus zu stampfen, andere wirken plötzlich gelöst, einige schunkeln mit. Das sind schöne Momente für sie wie für mich.
Ich spiele jeden Tag Schwyzerörgeli. Manchmal übe ich bis zu fünf Stunden am Tag. Ich besitze vier Instrumente. Letztes Jahr habe ich mir zum ersten Mal ein Instrument bauen lassen, eines ganz nach meinen Vorstellungen. Es hat filigrane Verzierungen und der Blasebalg ist grün. Ein gutes Instrument kostet ein paar Tausend Franken, dafür hat man es ein Leben lang.
Für die Zukunft wünsche ich mir, dass die Leute noch offener werden gegenüber Volksmusik. Dass sie erstmal hinhören und nicht schon zum Voraus sagen, sie können mit dieser Musikrichtung nichts anfangen.» (mk)
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