
«Meine Mutter hat im Jelmoli in Zürich chinesische Horoskope verkauft, da war ich etwa sieben Jahre alt. Sie nahm mich oft mit, weil sie keine Betreuung für mich hatte. Ich las diese Horoskope und irgendwann fiel mir auf, dass da immer wieder dieselben Texte ausgespuckt werden, aber für verschiedene Menschen. Deshalb war Astrologie für mich lange ein Bschiss, alles Esoterische kam mir zwielichtig vor.
Als sich mein Adoptivvater nach der Trennung von meiner Mutter bei einem astrologischen Institut für eine einmalige Partnervermittlungsstudie anmelden wollte, riet ich ihm eindringlich davon ab. Das sei Geldverschwendung. Er tat es trotzdem. Für 150 Franken bekam er drei Adressen von Frauen und mit einer von ihnen klappte es tatsächlich – sie sind jetzt seit über dreissig Jahren zusammen. Mein Vater und seine Partnerin sind beide sehr pragmatische, vernünftige Menschen, die mit beiden Beinen fest im Leben stehen. Sie entsprechen also nicht dem Bild, das ich damals von Leuten hatte, die sich mit Astrologie befassen. So begann sich meine Einstellung langsam zu ändern. Denn trotz aller Zweifel zog mich gerade die westliche Astrologie mit den zwölf Tierkreiszeichen immer irgendwie an.
Ich war lange sehr fokussiert darauf, nur auf meinen Kopf zu hören und alles andere auszublenden. Ich hatte zwar immer eine starke Intuition und eine Medialität, schon als Kind, aber ich habe sie ignoriert und unterdrückt. Was ich gespürt habe, hat mich verunsichert und als Folge wurde ich noch kopflastiger. Erst mit der Zeit lernte ich, auf meine innere Stimme zu hören.

Als ich erwachsen war, begann ich mich intensiver mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich liess mich von verschiedenen Astrologen privat unterweisen und lernte selbst astrologische Profile zu erstellen. Astrologie ist ja etwas sehr Geometrisches, Mathematisches. Jedem Planeten werden ein oder wie bei Merkur und Venus zwei Sternzeichen zugeordnet. Man stellt die genaue Konstellation der Planeten zum Zeitpunkt der Geburt mithilfe einer Radix grafisch dar. Um eine Radix zu erstellen, brauche ich das Geburtsdatum, den Geburtsort und die genaue Geburtszeit. Wenn mir jemand sein Geburtsdatum nennt, zum Beispiel den 13. Mai, dann weiss ich schon mal, dass bei dieser Person die Sonne zwischen 20 bis 25 Grad im Stier liegt und in welchem Winkel sie zu den anderen Planeten steht. Oft vergesse ich die Namen von Menschen, die in meine Beratung gekommen sind. Aber ihre Radix vergesse ich nie. Seit 2009 biete ich holistische, also ganzheitliche Beratungen an. Meine Werkzeuge sind neben der Astrologie vor allem meine Hellfühligkeit und manchmal ziehe ich auch die Tarotkarten zurate.
Es existiert mehr als das, was wir sehen und anfassen können. Die Astrologie gibt mir einen Zugang zu dieser Welt. Auch die Musik tut das. Musik bewegt sich ebenfalls auf einer intuitiven, inneren Ebene. Wenn ich singe, bin ich dem Publikum und mir selbst ganz nah. Früher war es für mich deshalb sehr wichtig, Sängerin zu sein. Ich wollte als Sängerin wahrgenommen und gehört werden.
Erst später habe ich verstanden, dass ich das, was mich auf der Bühne antreibt, auch in anderen Bereichen ausleben kann. Diese innere Aufregung, die ich vor einem Konzert spüre, ist der vor einer Beratung sehr ähnlich. Auch die Dankbarkeit, etwas empfangen und weitergeben zu dürfen, fühlt sich gleich an. Dasselbe gilt, wenn ich meditiere. Wir haben gewisse Energien in uns und die können wir auf viele verschiedene Arten zum Ausdruck bringen.

Wie auf der Bühne als Sängerin, gebe ich auch bei der Beratung immer hundert Prozent. Bei Konzerten bin ich in den ersten Minuten immer ein wenig unsicher, es braucht ein bis zwei Songs, um anzukommen. Danach ist die Unsicherheit verflogen und ich wachse über mich hinaus. So liefere ich an Konzerten manchmal eine Show ab, die ich mir vorher nie zugetraut hätte. Dasselbe bei einer Beratung: Auch hier spüre ich in den Anfangsminuten eine Unsicherheit, ein Herantasten. Danach beginnt etwas zu fliessen und eine Kraft erfüllt mich. Auf diese Kraft zu vertrauen, habe ich auch in meiner Yogaausbildung gelernt, die mein ganzes inneres und körperliches Wachstum vertiefte.
Wenn ich jemanden kennenlerne, kann ich nicht sagen, welches Sternzeichen er oder sie hat. Ich glaube auch niemandem, der behauptet, das zu können. Dazu ist Astrologie viel zu komplex. Um ein astrologisches Persönlichkeitsprofil zu erstellen, greift man auf viel mehr Informationen zurück als bloss das Sternzeichen und den Aszendenten. Es kommt auf die ‹Häuser› an, auf die Planeten, in welchem Winkel diese zur Zeit der Geburt zueinander standen und noch auf vieles mehr. Wenn jemand zum Beispiel Wassermann ist, dann heisst das erstmal nur, dass die Sonne bei der Geburt im Tierkreiszeichen Wassermann stand.
Astrologie ist wie eine Wetterkarte. Sie gibt Tendenzen vor. Für den einzelnen Menschen, aber auch für die Welt. Was wir daraus machen, liegt an uns selbst. So lassen sich mithilfe der Astrologie keine konkreten Ereignisse voraussehen, aber sie kann Anhaltspunkte geben, wenn etwas bevorsteht. 2019 wusste ich anhand der äusseren planetarischen Konstellationen, dass da etwas auf uns zukommen würde, das uns und unsere Welt verändern wird. Aber natürlich wusste ich nicht, dass es sich dabei um ein Virus handeln würde. Auch jetzt noch befinden wir uns astrologisch und energetisch gesehen in einer Umbruchphase. Vermeintlich sichere Strukturen beginnen zu wanken. Wir kommen nun in das Wassermannzeitalter, in dem es nicht mehr, wie im Fischezeitalter, um die Errettung von aussen geht. Man lässt sich immer weniger vorschreiben, was richtig und falsch ist und schliesst neue, freiere Gemeinschaften, in der sich das Individuum entfalten kann.
Mit seinem begrenzten Verstand ist der Mensch allein nicht viel. Es gibt eine spirituelle Kraft in uns und um uns herum, die uns nährt und stärkt, wenn wir uns für sie öffnen. Nenne es die Kraft Gottes, das Universum, die Natur oder die Liebe. Auf jeden Fall ist da etwas, das über unseren Verstand und Körper hinausgeht.
Die allermeisten, die zu mir in eine Beratung kommen, befinden sich in einer Krise. Und Krisen sind meist Wendepunkte im Leben. Ich glaube, dass ich den Menschen in solchen Situationen helfen kann. Auch, weil ich selbst viele Wendepunkte, viel Leid und Schmerz, erlebt habe. Ich habe mich immer in Extremen bewegt und mich jeder Krise mit Haut und Haaren hingegeben.

So habe ich an Lebenserfahrung gewonnen, die ich heute weitergeben kann. Ich kann mich leicht in andere Menschen hineinfühlen und merke, wie es meinem Gegenüber geht und wo es gerade steht. Das kann herausfordernd sein, denn diese Gabe lässt sich nicht abstellen, sie ist immer da und meldet sich ungefragt. Manchmal passiert es mir, wenn ich im Bus neben jemandem sitze. Dann fühle ich plötzlich eins zu eins die Energie eines Wildfremden, das nehme ich körperlich wahr und das ist manchmal unangenehm.
Damit bin ich weder etwas Besonderes noch irgendwie auserwählt. Jeder Mensch trägt diese Gabe in sich, davon bin ich überzeugt. Aber nicht alle wollen den Zugang zu dieser inneren Stimme finden. Ich wollte es ja auch lange nicht. Aber heute begreife ich diese Feinfühligkeit als Geschenk, weil ich damit mir selbst und anderen helfen kann. Und je älter ich werde und je mehr ich mich darauf einlasse, desto lauter wird diese innere Stimme.» (mk)
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